Bildschirmzeit, Apps und Social Media – Wie viel ist zu viel? Eine Orientierung für Eltern
Die digitale Welt ist allgegenwärtig, und für viele Kinder und Jugendliche gehören Smartphone, Tablet und Social Media selbstverständlich zum Alltag. Für Eltern wirft das jedoch oft die Frage auf: Wie viel Bildschirmzeit ist gesund, und ab wann wird es zu viel? Diese Frage lässt sich nicht pauschal beantworten, da individuelle Faktoren wie Alter, Persönlichkeit und Lebensumstände eine Rolle spielen. Doch es gibt wissenschaftlich fundierte Richtlinien und Ratschläge, die Eltern als Orientierung dienen können.
Wie viel Bildschirmzeit ist „normal“? Altersbezogene Empfehlungen
Die American Academy of Pediatrics (AAP) hat umfassende Richtlinien zu Bildschirmzeiten veröffentlicht, die auf verschiedenen Altersstufen basieren. Diese Empfehlungen bieten Eltern eine fundierte Grundlage für den Umgang mit Medien im Alltag ihrer Kinder:
- Kinder unter 18 Monaten: Bildschirmzeit sollte möglichst vermieden werden, abgesehen von Video-Chats, die soziale Interaktionen ermöglichen (American Academy of Pediatrics, 2016).
- Kinder von 2 bis 5 Jahren: Nicht mehr als eine Stunde pro Tag an qualitativ hochwertiger Bildschirmzeit, die im besten Fall interaktiv und lehrreich gestaltet ist (Wartella et al., 2020).
- Kinder ab 6 Jahren: Eltern sollten klare Grenzen setzen, wobei der Fokus darauf liegen sollte, dass Bildschirmzeit nicht andere wichtige Aktivitäten (z.B. Schlaf, körperliche Aktivitäten, Schule) verdrängt (Twenge & Campbell, 2018).
In Deutschland empfiehlt die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA) ähnliche Richtwerte. So sollte die tägliche Bildschirmzeit für 6- bis 9-Jährige etwa 30 bis 45 Minuten und für 10- bis 13-Jährige maximal 60 Minuten betragen (Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung, 2021).
Das ganze auf die Ohren im Podcast? : https://stefanrieth.com/project/bildschirmzeit-apps-und-social-media-wie-viel-ist-zu-viel-fuer-kindliche-gehirne/
Warum exzessive Bildschirmzeit problematisch sein kann
Forschungen zeigen, dass eine übermäßige Nutzung digitaler Medien und sozialer Netzwerke negative Auswirkungen auf die geistige und körperliche Gesundheit haben kann:
- Kognitive und schulische Leistung: Eine zu hohe Bildschirmzeit, insbesondere auf Social Media, kann die Konzentration beeinträchtigen und zu niedrigeren schulischen Leistungen führen (Viner et al., 2019).
- Schlafmangel: Bildschirmnutzung, vor allem kurz vor dem Schlafengehen, stört den Schlaf-Wach-Rhythmus, was zu Schlafmangel und Müdigkeit führt (Cain & Gradisar, 2010).
- Psychische Gesundheit: Studien haben gezeigt, dass exzessive Social-Media-Nutzung mit einer erhöhten Anfälligkeit für Angststörungen und Depressionen einhergeht, vor allem bei Jugendlichen (Primack et al., 2017). Social-Media-Plattformen fördern oft den Vergleich mit anderen, was das Selbstwertgefühl beeinträchtigen kann.
Apps und Social Media – Freund oder Feind?
Nicht alle Apps und digitalen Plattformen sind per se schlecht. Viele Lern-Apps oder kreative Plattformen wie YouTube bieten Kindern wertvolle Lernmöglichkeiten und fördern Kreativität. Dennoch ist die Art der Inhalte entscheidend. Plattformen wie Instagram oder TikTok, die oft auf Vergleiche und Selbstdarstellung basieren, können gerade in der Pubertät das Risiko für psychische Probleme erhöhen (Fardouly et al., 2015).
Eltern können folgende Schritte unternehmen, um gesunde Nutzungsgewohnheiten zu fördern:
- Zeitbegrenzungen und feste Regeln: Legen Sie klare Zeiten für Bildschirmnutzung fest, beispielsweise keine Geräte während der Mahlzeiten und kein Smartphone vor dem Schlafengehen (Royal College of Paediatrics and Child Health, 2019).
- Inhalte überprüfen: Besprechen Sie, welche Apps und Inhalte altersgerecht und sinnvoll sind. Empfehlenswert sind Apps, die Bildung und Kreativität fördern.
- Gemeinsame Mediennutzung: Nutzen Sie Apps und Medien gemeinsam mit Ihren Kindern. Dies schafft eine Möglichkeit, Inhalte zu erklären und Fragen zu beantworten.
Empfehlungen für den Alltag: Balance und Vorbildrolle
Der Schlüssel zu einer gesunden Mediennutzung liegt nicht in absoluten Verboten, sondern in der Balance und der sinnvollen Integration digitaler Medien in den Alltag. Eltern spielen dabei eine zentrale Rolle als Vorbilder. Studien zeigen, dass Kinder das Medienverhalten ihrer Eltern oft übernehmen und dass ein bewusster Umgang mit Medien innerhalb der Familie positive Effekte haben kann (Lauricella et al., 2015).
Einige Tipps für Eltern:
- Bildschirmfreie Zeiten und Zonen: Einführung bildschirmfreier Zeiten, wie zum Beispiel am Esstisch oder im Schlafzimmer.
- Alternativen fördern: Aktivitäten wie Sport, Hobbys oder Lesen sollten bewusst gefördert werden, um Kindern Alternativen zur digitalen Welt aufzuzeigen.
- Eigenes Verhalten reflektieren: Eltern sollten auch ihr eigenes Medienverhalten kritisch betrachten und eine gesunde Vorbildfunktion einnehmen.
Fazit: Wie viel ist zu viel?
Es gibt keine „eine Größe passt für alle“-Antwort auf die Frage nach der richtigen Bildschirmzeit. Ein reflektierter, bewusster Umgang mit Medien, der individuellen Bedürfnissen und Entwicklungsstufen gerecht wird, bietet jedoch eine gute Grundlage. Der Austausch mit Kindern über Inhalte und die gemeinsame Nutzung können die Beziehung zu digitalen Medien positiv beeinflussen und die Risiken mindern.
Hier gehts zum Podcast https://stefanrieth.com/project/bildschirmzeit-apps-und-social-media-wie-viel-ist-zu-viel-fuer-kindliche-gehirne/
Quellen
- American Academy of Pediatrics. (2016). Media and Young Minds. Pediatrics, 138(5).
- Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung. (2019)
- Cain, N., & Gradisar, M. (2010). Electronic media use and sleep in school-aged children and adolescents: A review. Sleep Medicine, 11(8), 735-742.
- Fardouly, J., Diedrichs, P. C., Vartanian, L. R., & Halliwell, E. (2015). Social comparisons on social media: The impact of Facebook on young women’s body image concerns and mood. Body Image, 13, 38-45.
- Lauricella, A. R., Wartella, E., & Rideout, V. J. (2015). Young children’s screen time: The complex role of parent and child factors. Journal of Applied Developmental Psychology, 36, 11-17.
- Primack, B. A., Swanier, B., Georgiopoulos, A. M., Land, S. R., & Fine, M. J. (2009). Association between media use in adolescence and depression in young adulthood: A longitudinal study. Archives of General Psychiatry, 66(2), 181-188.
- Royal College of Paediatrics and Child Health. (2019). The health impacts of screen time: a guide for clinicians and parents.
- Twenge, J. M., & Campbell, W. K. (2018). Associations between screen time and lower psychological well-being among children and adolescents: Evidence from a population-based study. Preventive Medicine Reports, 12, 271-283.
- Viner, R. M., Davie, M., & Firth, A. (2019). The health impacts of screen time: a guide for clinicians and parents.