Unglaublich lange hast du diesem Tag entgegen gefiebert. Sonntag ist endlich der Tag der Tage: ein gemeinsamer Familienausflug mit deinen Teenie-Kindern. Ihr plant eine Fahrradtour mit Picknick. Raus an die frische Luft und in die Natur – mit der ganzen Familie.
Samstagabend dann die prompte Absage: „Nein… ich hab echt gar keinen Bock. Ich bin schon mit meinen Freunden draußen.“ „Ich komm nicht mit euch mit. Ihr seid so mega peinlich!“
ZACK! Da packt dich dieser unglaubliche Schmerz. Die Zurückweisung fühlt sich schrecklich an. Du spürst es heiß und kalt in dir aufsteigen. Es ist für dich unbegreiflich. Was passiert hier gerade?
Als Papa von zwei Pubertierenden kenne ich diese Situation nur zu gut.
Schmerz ist in diesem Leben unausweichlich. Leiden ist eine freiwillige Entscheidung. Diese provokante These eines japanischen Schriftstellers findet viele Unterstützer. Auch Buddha vertrat die Haltung, dass wir unser Leiden selbst schaffen.
Das Leben ist weder Ponyhof noch Zuckerwatte-Wölkchen. Elternsein ist ein bunter Blumenstrauß an vielfältigen Emotionen von höchstem Glück bis tiefster Trauer.
Es geht nicht darum, negative Gefühle und Schmerz wegzudrücken. Oder wie ein rosa Einhorn fluffig und realitätsfern durchs Leben zu galoppieren – und dich zu wundern, wenn der Schmerz dich einholt.
Vielmehr geht es darum, wie resilient, bewusst und wach du emotionale und körperliche Schmerzen annehmen und durch dich hindurchfließen lassen kannst – ohne ins Leiden abzudriften.
Lass uns eintauchen, in die challenging Welt aus schmutzigem und sauberem Schmerz.
Schmutziger Schmerz
Bist du einer der Menschen, die sich ständig angegriffen fühlen? Deren Leben sich permanent wie ein großes Drama anfühlt – selbst bei kleinen Dingen? Oder tendierst du dazu, dich in der Opferrolle zu suhlen?
Wenn du eine Resonanz in dir spürst, tendierst du wahrscheinlich dazu, deinen Schmerz in Leiden zu transformieren. Bei schmutzigem Schmerz fühlst du dich angegriffen. Deine Brust nimmst du wahrscheinlich als dicht, verspannt, wie einen Panzer wahr.
Schmutziger Schmerz entsteht aufgrund von Annahmen, Erfahrungen, Prägungen deines bisherigen Lebenswegs. Viele schmerzhafte Erfahrungen beruhen auf Interpretationen und Projektionen deines Gehirns, wenn es in die Vergangenheit zurück oder in die Zukunft vorspult.
Wie kannst du radikal die volle Verantwortung für deine Emotionen übernehmen?
Sauberer Schmerz
Sauberer Schmerz ist eine der ursprünglichsten Empfindungen.
Wenn du Schmerz clean fühlst, nimmst du ihn an. Du spürst in deinem Körper, wo sich eine schmerzhafte Erfahrung akut zeigen darf. Wahrscheinlich nimmst du ihn in der Brust verletzlich, etwas zittrig und dennoch offen wahr. Wenn du in dich hineingespürt hast, gibst du deinem Kind eine verbale Rückmeldung: „Ich empfinde das als schmerzvoll. Es hat aber nichts mit dir zu tun. Ich weiß, dass du dich entwickeln und deinen eigenen Weg gehen musst.“
Wie wäre es, wenn du deinen Schmerz über den Verlust von Gemeinsamzeit transformierst – in Bewunderung, wie sich deine Teenies ihr eigenes Leben erschaffen, sich ein Stück Autonomie erobern und dir Selbstbestimmung zurückgeben?
So wandelst du deinen Schmerz um
Ich lege dir ans Herz, in deinen Körper einzuchecken bevor du deinen Partner*in oder deine Kinder anpflaumst, ignorierst oder anschreist.
Nimm einen tiefen Atemzug.
Der Atem verbindet uns mit dem ventralen Anteil des Vagus-Nervs und der Entspannungsfähigkeit. Die Atempause schafft zudem eine kurze Lücke zwischen Reiz, Schmerz und Reaktion.
Entdecke: Welche Erfahrung mache ich gerade?
Spüre in dich selbst hinein und versuche, dich mit Neugier der Erfahrung zu widmen.
Tue nichts, was du später bereust.
Die Scherben, die du als emotionaler Elefant im Porzellanladen zertrampelst, sind manchmal nur schwer wieder zu kitten.
Spüre in dich hinein: Was fühlst du?
Nimm deine Körperempfindungen wahr. Wo spürst du deinen Schmerz? Wie fühlt er sich an? Welches Gefühl triggert dich genau? Traurigkeit? Wut? Schmerz? Verzweiflung?
Nimm noch einen tiefen Atemzug.
Vertiefe dein Selbstmitgefühl.
Erlaube dir die Emotion, die sich entfalten möchte. Es ist völlig okay, emotionalen Schmerz zu empfinden.
Drücke das Gefühl nicht weg. Nimm es klar und bewusst wahr. Respektiere es, aber bade nicht darin. Vermeide, die Emotion zu überdecken, wegzudrängen oder zu betäuben. Finger weg von Alkohol, Serien oder Schokolade.
Für mich ist die Wandlung von schmutzigem zu sauberem Schmerz ein lebenslanges Üben. Es stellt mich immer wieder vor Herausforderungen.
Wenn dir die Transformation nicht sofort gelingt, sei geduldig mit dir und habe Mut. Es lohnt sich und macht das Miteinander so viel leichter.